Wenn ich von meinem Studium zur ganzheitlichen Ernährungsberaterin erzähle, ist die zweite Frage, die mir gestellt wird, immer dieselbe:
„ Und, was empfiehlst du? Wie ernährst du dich?“
 

Früher war meine Antwort eindeutig.
Ich habe eine Zeit lang ausschließlich vegan gegessen. Das Traurige daran war, dass ich damit sofort gebrandmarkt war…
Ich mag es auch nicht, wenn man sich dazu entscheidet, sich vegan zu ernähren und dann alle „Andersesser“ dafür verurteilt, dass sie es nicht tun.
Wie gesagt: jedem das Seine; jeder hat seine Gründe und ein Recht auf eine individuelle Ernährungsweise!

Allerdings habe ich als ‚Veganerin‘ auch die andere Seite kennenlernen dürfen.
Wenn du sagst, du isst vegan, dann isst du vegan. und nicht anders. Zu 100%. Basta.
Für Außenstehende gibt es da keine Ausnahmen und ich wurde nicht selten darauf angesprochen, dass dies oder jenes, was ich gerade esse, eben nicht voll und ganz vegan sei. Manchmal wurden mir sogar „nicht-vegane“ Sachen wortwörtlich unter die Nase gehalten, um mich zu provozieren.
Wisst ihr, was da nach einiger Zeit für ein Druck entstehen kann?
Ich habe angefangen, das Essen nicht zu VER-werten, sondern zu BE-werten:
nach vegan und nicht-vegan; nach gut und schlecht.
Blöd nur, dass bei der Ernährung eben nicht nur der Bauch das Sagen hat, sondern der Kopf oft auch ein Wörtchen mitreden will!

Wir sind heutzutage ja leider Profis im Gefühleunterdrücken und Anderweitigablenken.
Ich meinerseits habe viel über mein Essen kompensiert und tue es heute noch manchmal. Ging es mir nicht gut, war das nette Essen stets zur Stelle und hat mich tröstend in den Arm genommen. 

Das Ding dabei war nur, dass das gute Gefühl dabei natürlich nicht von Dauer war, die eigentliche Emotion unterdrückt wurde.
Die Kompensation fand zudem meist in meinen Augen mit ‚schlechten‘ Lebensmitteln statt, und gegen wen richteten sich im Anschluss meine vorwurfsvollen Gedanken?
Richtig, gegen mich. 

Dummerweise bekamen durch das Ganze meine, wie ich finde, wenigen schlechten Essgewohnheiten extreme Aufmerksamkeit und mein Körper reagierte sofort darauf.
Ich hatte fast 1,5 Jahre mit einer schlechten Verdauung zu kämpfen!
Hier mal den Industriezucker weggelassen, da mal auf Kaffee verzichtet, dort mal herumprobiert und rumgeschraubt… Irgendwie wollte noch nichts helfen.
Aber ich wusste auch, dass ich meinem Körper vertrauen kann und ich es selbst wieder in den Griff kriege! 
Bis mir plötzlich etwas bewusst wurde:
Die ganze Zeit hatte ich nicht nur mein Essen in gesund und ungesund eingeteilt – was mir meine Ernährungsberaterausbildung nicht leichter machte, weil ich wusste, was nach bestimmten Lebensmitteln im Körper so abgeht -, sondern mir selbst auch totale Verbote gesetzt!
Und ich glaube, jeder weiß, wie das so mit Verboten ist… Gerade die machen das Ganze ja so besonders reizvoll

Es gab ab dann einen vollkommenen mind-change:

Aus einem:
„Ich esse vegan, das heißt: KEIN Fleisch, KEINE Milchprodukte, KEINE Eier, KEIN was auch immer!“
 
wurde ein:

Ab heute gibt es keine Verbote mehr und ich achte auf die Signale, die mir mein Körper sendet:
Ob Hungersignal selbst, ob Lust auf Kuchen, ob Verlangen nach Fisch oder sogar in seltenen Fällen mal ein gutes Stück Fleisch! 

Und wisst ihr was? Ich ‚gönne’ mir diese Sachen nicht (ich finde „gönnen“ hat immer so einen negativen touch), sondern ich genieße sie in vollen Zügen!
Und dreimal dürft ihr raten, wie’s mit meiner Verdauung aussieht. 😉 
 

Pointe bei dieser Geschichte ist also wieder mal, dass alles eine Sache deiner persönlichen Sichtweise  ist!!! 🙂

Meine Ernährungsweise hat sich ja kaum verändert, nur habe ich dieses rote Stoppschild aus meinem Hirn verbannt. 

Meine Antwort auf die Fragen

„ Und, was empfiehlst du? Wie ernährst du dich?“ ist heute also: 

Ich plädiere für gar nichts. Weder für Veganismus, noch für Paleo, Low Carb oder was es sonst noch alles gibt. Jeder soll für sich selbst entscheiden, was für ihn am besten ist und wortwörtlich auf sein eigenes Bauchgefühl hören. Also zurück zum natürlichem Essverhalten, bei dem die selbsterteilten Verbote die weiße Fahne schwingen und das Hunger- und Sättigungsgefühl den Ton angeben!

Ich hoffe, ich konnte allen, die von Speis und Trank leben, ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen.
Ja, damit meine ich uns alle. Wir sind doch auch nur Menschen und jeder bemüht sich (und isst) auf seine Weise.
Lassen wir doch den anderen einfach den anderen bleiben und erlauben uns selbst, wir selbst zu sein.

(So viel zum Thema Essverhalten. Zum Thema Lebensmittel folgt bald ein Eintrag! 🙂 ) 

Bis bald,
eure Tara 
 

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Alina

    Hammer gut geschrieben! Und richtig authentisch formuliert Tara!
    Jap, den Kopf beim Essen einfach mal ausschalten und auf sein Herz hören…
    ist nicht unmöglich, aber es ist ein Prozess zurück zum natürlichen Essrhytmus, der meiner Meinung nach durch die ganze Diätleiher total durcheinander geraten ist!
    Mach weiter so, bin stolz auf dich❤️

    1. Tara

      Danke Alina!

      Genau, man weiß eben gar nicht mehr, wie man sich eigentlich ‚ernähren soll‘. Aber auch das ist eigentlich wieder Quatsch, weil eh jeder die Nahrung anders verwertet und es gar keine allgemeine Richtlinien gibt. Eben zurück zum EIGENEN Körper- bzw Bauchgefühl 🙂

  2. Fabienne

    Wow!
    Bin beeindruckt 🙂
    Geht mal in eine ganz andere Richtung wie die ganz radikalen Empfehlungen von einseitiger Ernährung.
    Sehr authentisch geschrieben und ich finde es gut, auf sein eigenes Bauchgefühl zu hören . Weiter so!

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